Dienstag, 11. September 2018

ICH-Zustände in unserer Kommunikation

„Bitte vergiss deinen Schal nicht: Die Nächte sind noch kühl!“

Welche Assoziation haben Sie bei einem solchen Satz?

Fühlen sie sich vielleicht in die Pubertät zurückversetzt und sehen Sie die Person, die Ihnen diesen gut gemeinten Rat gibt? Selbst wenn Sie diesen Satz noch nicht gehört haben, können Sie vielleicht dennoch nachvollziehen, was er auslöst, nämlich Trotz. Sie verspüren den Impuls, trotzig zu reagieren. Aber warum, wo doch dieser Ratschlag nur lieb gemeint war und vielleicht sogar vernünftig, weil es abends wirklich noch zu kühl ist?

Willkommen! Willkommen in der Welt von mehr Wirksamkeit und weniger Stress. Willkommen in der Welt von Michael Holub. Dies ist ein Podcast zum Thema „ICH Zustände“. 



Fangen wir vielleicht einmal an mit dem „Eltern-ICH“.

Das „Eltern-ICH“ bekommen wir von unseren Eltern, von den Großeltern aber auch von Vorgesetzten, von Lehrern, von Erziehern. Ja, letztendlich auch von den von uns selbstgewählten Vorbildern. Hier werden Moral, Wertesystem aber auch die Umgangsformen und Regeln festgeschrieben. Also zum Beispiel: wie funktioniert ein Unternehmen oder wie funktioniert die Abteilung in der ich arbeite. Das wird sehr stark von Vorgesetzten geprägt. Das ist alles im „Eltern-ICH“ sozusagen angesagt. Und dieses „Eltern-ICH“ gibt es in zwei grundsätzlichen Ausprägungen. Da gibt es einmal das „kritische Eltern-ICH“. Das ist die mehr oder weniger freundliche Zurechtweisung. Und ich glaube jeder stellt sich da selbst seine eigenen Eltern vor oder seine eigene Rolle als Elternteil, wenn man seine Kinder zurechtweist. Das „unterstützende Eltern-ICH“ ist dann die andere Form, das ist sozusagen das unaufgeforderte Hilfsangebot. Und auch dort können wir uns alle erinnern, wenn Mama etwas gesagt hat, dann war es immer gut gemeint. Gar keine Frage, das wussten wir auch. Aber wir haben es in dem Moment eben als unaufgefordertes Hilfsangebot nicht so wertschätzen können wie es unsere Mutter eben vielleicht erwartet hätte.


Und das genaue Gegenteil zum „Eltern-ICH“ ist dann das „Kindheits-ICH“.

Das „Kindheits-ICH“ ist wirklich diese emotionale Basis, die wir alle in uns haben, in unterschiedlichsten Ausprägungen. Hier hab ich nur ein paar wenige angeführt.

Hier gibt es zum Beispiel das „angepasste Kind“

Das ist also jenes Kind das eher als ein braves Kind angesehen wird. Das Eltern unheimlich gerne haben, weil es so wenig Probleme bereitet. Ob das dann als Mitarbeiter oder Mitarbeiterin genauso gesehen wird, das kommt auf die Rolle an und auf die Vorstellung, die die Firma vom Mitarbeiter oder von der Mitarbeiterin hat.

Dann gibt es wieder das „rebellische Kind“.

Das ist jenes Kind wo Eltern manchmal die Nerven wegschmeißen. Wo mancher Vorgesetzte vielleicht sagt „Nein, mit dieser Emotionalität möchte ich niemanden in der Firma haben“. Andere Firmen wiederum sagen „Genau das brauchen wir. Die Querdenker, die die Sachen auch immer anders betrachten.“

Beiden ICH-Zuständen gemeinsam ist das sie vorhanden sind. Und das sie in der Kommunikation im Regelfall leider wenig hilfreich sind. Also weder aus dem oberen Bereichs des „Eltern-ICHs“ zu kommunizieren hilft dem Gesamtsystem, geschweige denn aus der Emotionalität des „Kindheits-ICHs“ zu kommunizieren bringt uns weiter.

Das einzige was und weiterbringt ist auf Augenhöhe zu kommunizieren, im „Erwachsenen-ICH“ 

Ohne Emotionalität, ohne Kritik, ohne Besserwisser. Das ist manchmal sehr schwierig. Wenn wir kommunizieren geschieht dies ja stets aus einem der drei ICH-Zustände. Und damit bestimmen wir in irgendeiner Art und Weise, nämlich ziemlich deutlich, auch die Reaktion des Partners, des Gesprächspartners vorweg. Senden wir eine Botschaft aus dem „Kindheits-ICH“, also eine emotionale Botschaft, wird das aller Voraussicht nach eine Reaktion aus dem „Eltern-ICH“ nach sich ziehen. Das ist sozusagen eine parallele, eine gleichgeschaltete Kommunikation. Wenn wir wirklich weiter kommen wollen, das haben wir schon festgestellt, sollten wir im „Erwachsenen-ICH“ kommunizieren. Weil dann können wir ziemlich sicher sein, vernünftigen Gesprächspartner vorausgesetzt, das auch unser Gesprächspartner im „Erwachsenen-ICH“ antworten möchte.

„Ich habe eine tolle Idee! Wir sollten ab sofort allen neuen Kunden einen Blumenstrauß schicken und uns für das Vertrauen bedanken.“

  • „Unsinn, das ist viel zu teuer und außerdem bringt es nichts!“. Sie erkennen schon: ein Vorschlag aus dem „Kindheits-ICH“ und ja wirklich er ist etwas unüberlegt, unausgegoren, euphorisch, emotional löst eine Antwort aus dem „kritischen Eltern-ICH“ aus. Wir müssen uns nur bewusst sein was die Konsequenz dann ist. Also wenn das zum Beispiel Mitarbeiter und Vorgesetzte wären. Also ein Mitarbeiter, vielleicht noch jung im Unternehmen, macht den Vorschlag mit dem Blumenstrauß. Seine Vorgesetzte schmettert diesen Vorschlag mit dem „Unsinn, das ist viel zu teuer und außerdem bringt es nichts!“ deutlich ab. Was wird der Mitarbeiter zukünftig machen? Richtig! Keine Vorschläge.
  • Sie könnte versuchen nicht aus dem „Eltern-ICH“ zu antworten, sondern das Gespräch auf die Erwachsenen-Ebene zu ziehen. Also zum Beispiel „Eine interessante Idee. Könnten Sie vielleicht eruieren wie viele Kunden betroffen sind, wieviel die Blumensträuße kosten, und wie wir diese dann übergeben könnten?“. Und entweder es bleibt eine gute Idee, dann haben alle gewonnen, oder der Mitarbeiter kommt selbst drauf: so gut ist die Idee nicht, die Durchführung, der Prozess ist nicht einfach. Aber er hat sein Gesicht nicht verloren und wird weiterhin, vielleicht sogar wohl überlegtere Ideen bringen.

Das Ganze funktioniert natürlich auch anders herum. 

Nämlich wenn eine Erstaussage aus dem „Eltern-ICH“ kommt und damit muss eine Antwort aus dem „Kindheits-ICH“ erwarten. Das kann man sogar noch in unseren westlichen Welt präzisieren: wahrscheinlich vom „rebellischen Kind“, das grundsätzlich dagegen ist. Also hier wiederum die erste Aussage, in diesem Fall jetzt aus dem „Eltern-ICH“: „Nur mit diesem wirklich preisaggressiven Angebot werden wir den Zuschlag erhalten“. Die Antwort: „Das kann man so nicht sagen, denn auch mit der etwas teureren Variante haben wir schon mehrere Aufträge an Land gezogen“. Also, wenn ich aus dem „Eltern-ICH“ eine Aussage tätige kommt aller Voraussicht nach die Replik sozusagen aus dem „Kindheits-ICH“ und zwar aus dem „rebellischen Kindheits-ICH“.

Wenn wir noch näher ran gehen an den Kunden, dann wird es gleich einmal doppelt gefährlich. 

Da haben wir einen Gesprächspartner von dem wir ja etwas wollen, nämlich einen Auftrag. Also, der Verkäufer zum Beispiel sagt dem Kunden (Das wird ein guter Verkäufer übrigens nie sagen, in dieser Art und Weise, ist hier nur ein Beispiel um die ICH-Zustände klar zu legen.): „Wir haben ein Konzept für Sie ausgearbeitet, das genau Ihr Problem lösen wird.“. Und der Kunde antwortet darauf: „Ja, wenn es so einfach wäre, wären wir auch schon selbst drauf gekommen.“.  Also das ist nicht sehr zielführend was hier, im Beispiel natürlich nur, der Verkäufer zu sagen pflegte. In unserer Welt, habe ich gesagt, wird das „rebellische ICH“ antworten. Es gibt andere Regionen zum Beispiel eher in Japan wo eine Äußerung des „Eltern-ICHs“ eher, oder fast ausschließlich, das „angepasste Kindheits-ICH“ als Antwortgeber herausfordern wird. Aber das kennen Sie, Kulturkreise sind unterschiedlich. Es ändert aber nichts an der Tatsache: wenn ich im „Eltern-ICH“ beginne, antwortet das „Kindheits-ICH“. Wenn ich im „Kindheits-ICH“ beginne, antwortet das „Eltern-ICH“. Und wenn wir eine Kommunikation erfolgreich führen möchten, dann sollten wir im „Erwachsenen-ICH“ antworten und auch die Kommunikation beginnen

Einem Team hilft es natürlich wenn alle im Team, zum Beispiel in einem Meeting, über die Sachlage Bescheid wissen. 

Weil dann kann man einen Haltepunkt setzen. So ein typischer Haltepunkt den ich schon oftmals gehört habe, von Kolleginnen und Kollegen: „Jetzt spielen wir wieder in der Sandkiste!“. Das war in diesem Unternehmen halt das Synonym dafür: „Wir sind alle im „Kindheits-ICH“, total emotional. Da können wir ewig weiter diskutieren. Wir kommen zu keinem Ergebnis.“.
Ja in diesem Sinne, versuchen wir immer diesen schwierigen Weg aufs „Erwachsenen-ICH“ zu finden. Ein Vorbild dafür gibt es. Alle die in internationalen Konzernen tätig sind kennen diese Kollegen, die Engländer. Die haben Formulierungen, da kennt sich jeder aus. Aber es werden weder Emotionen, noch Kritik oder Besserwisserei angeführt. Eine typische Formulierung wenn jemand einen Vorschlag präsentiert und man möchte etwas sagen dazu, und jeder Engländer sagt etwas dazu, ist dann zum Beispiel „A very interesting idea.“. Was heißt das übersetzt? „Diese Idee brauchen wir nicht weiterverfolgen. Sie ist für den Mistkübel. Tut mir leid.“ - aber es ist unheimlich freundlich formuliert und man lässt die Emotionen draußen.

In diesem Sinne: vorerst einmal viel Spaß mit den ICH-Zuständen. Ganz wichtig, teilen Sie dieses Video mit ihren Kolleginnen und Kollegen. Nur wenn alle darüber Bescheid wissen, die grundsätzlich damit arbeiten möchten, kann man im Team etwas bewegen.


Michael Holub
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